Ich wollte euch hier demnächst mal ein paar Dinge darüber schreiben was genau Open Access (OA) ist, was für Vorteile aber auch Nachteile das System hat und so weiter. Doch leider bin ich mir sehr unsicher welchen Wissensstand ich bei euch Lesern voraussetzen kann. Von daher wollte ich in diesem Beitrag mal darauf eingehen wie Wissenschaftler traditionell ihre Ergebnisse veröffentlichen und wie das Verlagswesen im alten Modus funktioniert. Für wen das sein täglich Handwerk ist der darf diesen Eintrag gerne überlesen und sich dann mehr auf den nächsten OA-Beitrag freuen.
Dazu hab ich mal ganz trendy eine kleine Flowchart zusammengebastelt in der man stark vereinfacht sieht wie es vom Vergeben der Forschungsgelder bis zur Veröffentlichung der Ergebnisse kommt.
Schauen wir uns das Ganze mal Schritt für Schritt an. Erstmal dürfen die Wissenschaftler sich um Forschungsgelder bewerben. Wenn die Geldgeber, in Deutschland z.B. die Deutsche Forschungsgemeinschaft, nach Überprüfung der Anträge Geld bewilligen kann es dann erstmal an die eigentliche Forschung gehen. Und irgendwann will man dann natürlich auch seine Ergebnisse präsentieren. Dazu schreibt man dann so ein hübsches Paper wie wir sie hier regelmässig vorstellen und sucht sich eine Zeitschrift in der man dann veröffentlichen will.
Und hier fängt der Ärger dann auch an (manche würden allerdings sagen dass das schreiben schon zum Ärger gehört). Denn die Zeitschrift in der man sich präsentieren will soll weise gewählt sein. Generell sind dabei alle geil darauf ein Journal zu erwischen das einen möglichst großen Journal Impact Factor (JIF) hat, dieser Wert soll angeben wie angesehen die Zeitschrift ist. Gleichzeitig gilt auch: Je höher der JIF desto besser/wichtiger muss ein Ergebnis sein um in so einer Zeitschrift angenommen wird.
Hat man sich dann für sein Journal entschieden sendet man denen sein Manuskript zu und die Redakteure schauen dann erstmal ob der Beitrag überhaupt zur Zeitschrift passt. Entscheiden diese sich dagegen darf man sich ein neues Journal suchen.
Sind die Redakteure jedoch der Ansicht das die Veröffentlichung in ihrer Zeitschrift veröffentlicht werden soll so geht es ins Peer-Review-Verfahren: Die Herausgeber suchen sie sich nun Experten des betroffenen Fachbereiches aus und geben diesen das Manuskript um den fachlichen Inhalt des Papers zu überprüfen. Dies dient unter anderem dazu gefakte Daten etc. zu entlarven, was natürlich nicht immer klappt.
Hat es das Manuskript so weit geschafft dann kann es danach veröffentlicht werden. Von Journal zu Journal unterschiedlich: Ob die Autoren für das Ganze selbst etwas zahlen müssen. Gleiches gilt dann für den Umfang in dem die Rechte an der Veröffentlichung in die Hände des Verlages gehen oder eben bei den Autoren bleiben. Schlechtenstenfalls bezahlt man also dafür all seine Rechte abzugeben, aber was tut man nicht für Reputation?
Und irgendwann geht dann das Journal in Druck in dem das Paper abgedruckt ist, wird an alle Abonnenten versendet und wird gegebenenfalls online veröffentlicht so das Abonnenten Zugriff darauf haben. Darüber hinaus bieten viele Zeitschriften es an einzelne Paper online zu kaufen für den Fall das man kein Abo hat. Zu den größten Kunden für die Abos gehören dabei wohl die Universitäten die Lizenzpakete kaufen um ihre Bibliotheken mit Zugriff auf die Archive der Verlage auszustatten.
Was übrigens viele Studenten auch nicht wissen: Zumindest bei der Uni Münster kann man auch von zuhause den gesamten Online-Katalog der Uni-Bibliothek nutzen wenn man sich einen kleinen, einfachen VPN-Zugang einrichtet. So hat man in Sachen Journals den gleichen Zugriff wie aus den Computerräumen der Uni. Ich bin mir recht sicher dass sowas mittlerweile Standard an jeder Uni sein dürfte. Also schaut mal auf den Seiten eurer Uni nach um euch vielleicht den einen oder anderen Weg zu ersparen.
So weit dann dazu wie traditionell veröffentlicht wird in den Wissenschaften. Nächstes Mal dann über den großen Unterschied zu Open Access.
[…] Nachdem im letzten Beitrag erklärt wurde wie das mit dem wissenschaftlichem Veröffentlichen im traditionellem Verlagswesen funktioniert schauen wir doch nun mal was genau Open Access im Unterschied dazu ist. […]
Hach ja, das liebe Publizieren.
Da bekomme ich immer Revolutionsglüste…
Da machen die Wissenschaftler die ganze Forschungsarbeit, schreiben das Manuskript und ärgern sich dann auch noch mit Indesign usw. herum, um die Abbildungen in das Format zu bekommen, dass die Journals gerne hätten.
Kaum hat man das Manuskript eingereicht, bekommt man ein anderes Manuskript zugeschickt, dass man als Reviewer checken soll. Umsonst, versteht sich.
Kurz darauf kommt dann die Absage für das eigene Manuskript.
Das Journal bekomme Drölftausend Manuskripte am Tag geschickt, könne aber monatlich nur 10 ins Journal packen. Da muss man aussieben. Sorry.
Also sucht man sich ein anderes Journal.
Dann verbringt man meistens 1 Tag damit das Manuskript für dieses Journal anzupassen. Die Einleitung muss unterteilt werden, keine Zwischenüberschriften in den Methoden erlaubt, die Referenzen anpassen etc.
Daumendrücken beim Einreichen.
Journal meldet sich. Sie hätten die Abbildungen gern in 800 dpi, und als EPS, auch wenn es anders auf der Homepage steht. Außerdem sind die Linien zu dünn.
Wieder ein halber Tag um die Dinger anzupassen. Am Ende wird man feststellen, dass trotz eingereichter EPS-Dateien mit 800 dpi alle Abbildungen total pixelig sind…
Dann bekommt man die Proofs.
Plötzlich ist man scheinbar mit seinem Supervisor verheiratet und auch an vielen anderen Stellen macht der Text plötzlich keinen Sinn mehr, oder ist schlicht falsch.
Also ausbessern.
Dann endlich ist das Ding fertig zum Publizieren.
Natürlich nur, wenn man seine Rechte abdrückt (ja, wir wissen, dass auf der Homepage steht, dass die Autoren die Urheberrechte behalten können. Leider ermöglicht dies unser automatisiertes System aber nicht. Sorry.), und noch 700 Dollar blecht, weil man eine Farbgrafik drin hat und überhaupt geht es gar nicht, dass die Methoden länger als 5 Sätze sind. Das sprengt den Rahmen. Da muss man wegen Überlänge blechen.
Dann kommt die Nachricht, dass es Online sei.
Um seine eigene Arbeit lesen zu können, muss die Uni aber das Journal abonniert haben, oder man muss zwischen 20 und 30 Dollar blechen. Um sein eigenes Paper lesen zu können, wohlgemerkt.
Die Stürmung des Verlags erscheint einem plötzlich gar nicht mehr so abwegig…
Ich finde es einfach krass, dass im Jahr 2009 die Journals immer noch argumentieren, sie können nur so und so viele Paper pro Ausgabe bringen.
Wer liest denn bitte tatsächlich die gedruckten Magazine? Vor allem seitdem die Paper mittlerweile oft schon Monate vorher online erhältlich sind?
All meine Kollegen und ich selbst lesen nur die PDFs.
Und dann diese unglaublichen Abo-Kosten. Von denen die Wissenschaftler, die als Urheber der Forschung und als Referee den Hauptteil der Arbeit machen, keinen Pfennig zu sehen bekommen. Da sollte man dann eigentlich meinen, dass davon Leute beschäftigt werden, die Abbildungen unverpixelt setzen können usw.
Mit dieser unnötigen und künstlichen Restriktion auf x Seiten pro Ausgabe, halten sich die Journals aber natürlich auch am Leben.
So bleibt es etwas „besonderes“ wenn man in ein Journal mit hohem Impact Factor kommt. Die nehmen schließlich nicht jeden. Und deshalb probiert erstmal jeder, in einem dieser Journals zu publizieren.
Klappt natürlich nur bei den wenigsten. Der Rest muss sich andere Journals suchen. Dort klappt es dann meist auch nicht gleich.
Und obwohl das jeder Wissenschaftler kennt, und oft schon selbst erlebt hat, hört man unglaublich oft den Satz „Interessant, wo wurde das publiziert?“.
Wenn dann ein High Impact Journal als Antwort kommt, ist die Reaktion meistens ein ehrfürchtiges: „Wow, dann muss es ja wirklich supertoll sein! Wahnsinn!“.
Kommt als Antwort ein anderes Journal, dass derjenige nicht so gut kennt (wahrscheinlich weil sich seine Uni dort kein Abo leisten kann, hö hö), dann ist die Reaktion eher verhalten. Kann ja nicht soo toll sein, wenn es in so einem „niedrigen“ Journal publiziert wurde.
Obwohl jeder weiß, dass auch viele gute Arbeiten von den High Impact Journals durch diesen künstlichen Flaschenhals abgelehnt werden, sind viele Wissenschaftler der Meinung, dass die Arbeit nicht so gut sein kann, wenn sie in einem anderen Journal publiziert wurde.
Bei Job-Interviews hat man auch oft den Eindruck, dass nicht die eigentlichen Arbeiten und die darin gefundenen Ergebnisse oder neuen Methoden wichtig sind, sondern der Name der Journals. Oft eben auch, weil es für die Uni an sich besser ist, wenn sie öfter als Institut auf High Impact Papern steht und deswegen in Rankings höher steht und mehr Kohle bekommt.
Man könnte fast schon sagen, dass es da eine Art blindes Vertrauen auf den Namen der Journals gibt.
Dieser ganze Publizierungsvorgang im Moment ist eine riesige Wissenschaftsbremse.
Bei manchen Journals dauert es fast ein Jahr vom Einreichen bis zur Publikation.
Aktuell ist was anderes.
Und ich möchte gar nicht wissen, wie viele Arbeitsgruppen an der Arbeit mit etwas beginnen, was eine andere Gruppe schon seit Monaten eingereicht hat.
Will man diesem Trend nicht nacheifern, und sucht sich gleich ein Journal, dass zwar ein Nischendasein führt, da es thematisch sehr spezielle Paper bringt, aber dafür von allen Leuten gelesen wird, die auf diesem Gebiet arbeiten (was aber eben nur ein paar Teams weltweit sein können), dann werden die Ergebnisse zwar oft viel schneller publiziert, aber man schiesst sich damit wohl ins eigene Bein, weil beim nächsten Vorstellungsgespräch der Satz kommt:
„Wo wurde das nochmal publiziert? Aha, kenn ich gar nicht das Journal. Naja, schönen Tag noch. Sie brauchen uns nicht anzurufen, wir melden uns dann bei Ihnen.“
Im Grunde genommen bräuchte man in der heutigen Zeit nur noch ein Journal, bzw. eine Internetseite, bei dem die Manuskripte aller Bereiche bei den für diesen Bereich zuständigen Editoren eingereicht werden, die sie dann an die Referees weiterleiten. Wenn die Arbeiten zum Publizieren taugen, werden sie so schnell es geht auf dem entsprechenden Bereich der Seite online gestellt. Und zwar als Open Access.
Der ganze Schnickschnack von wegen Platzmangel und Abo-Gebühren dient nur der Bereicherung der Journals und behindert die Wissenschaft ungemein. Vor allem in ärmeren Ländern, wo sich die Unis schlicht die Abos nicht leisten können und somit Forschung auf hohem Nivea verhindert wird.
So, genug rumgeärgert, aber das musste mal (wieder) gesagt werden. Jetzt wäre ein Weißbier nicht schlecht 😉
Wow, erstmal danke für den ausführlichen Kommentar Ralph. Den könnte man ja fast gleich als Teil der Artikelserie einbinden 🙂
Das man als Autor schon für das ganze Design der Grafiken etc. alleinig verantwortlich ist damit diese gedruckt werden können ist schon eine Frechheit, genauso wie die Tatsache das man seine Rechte abgeben muss sowie für Farbgrafiken und Überlänge bezahlen muss. Genauso die Tatsache das die Reviewer für lau arbeiten.
Das hört sich so an als hätte die Verlage vom Buchdruck noch nichts gehört und irgendwo sitzen Mönche in einem Kloster die jede Ausgabe von Hand malen müssen…
Dazu das man sein eigenes Belegexemplar nochmal bezahlen sag ich auch mal lieber nichts. Jeder Grafiker/Fotograf/Journalist würde einen Auslachen für die Praxis.
Ganz ausgedient haben gedruckte Journals wohl noch nicht. Zumindest halt nicht die Editorials. Die Paper könnten in der Tat genauso gut rein online erscheinen.
Doch für das Rating der Zeitschriften können ja die Verlage nichts. Die gesamte Wissenschaftsgemeinschaft muss da umdenken. Eben nicht mehr die Veröffentlichungen in Science/Nature und wie sie nicht alle heissen gleich als ach so toll ansehen weil sie ja dort erschienen sind und vice versa sondern wirkliche Qualität beurteilen.
Und frag mal ob die Verlage das als Wirtschaftsbremse sehen? Die lachen sich kaputt und freuen sich darüber in ihrer Wirtschaft eine goldene Nase zu verdienen 😉
Und mit dem Weißbier hast du einen wunden Punkt getroffen. Wir haben immer noch keinen einzigen Artikel der den Namen rechtfertigen würde! 🙂
[…] Teil 1 gab es eine allgemeine Erklärung wie wissenschaftliches Publizieren funktioniert und in Teil 2 gab […]